Liebe Avocado,
wir hatten keinen guten Start. Schon früh hatte ich versucht dich zu lieben, nur verstanden hatte ich dich nie. Hübsch aufgereiht mit deinesgleichen hast du dich mit deiner glänzenden Schale feil geboten. Noch am gleichen Abend wollte ich dich vernaschen, aber du hast einen auf harte Nuss gemacht und warst sauer. Beim nächsten Mal habe ich dir mehr Zeit gelassen, was dich dazu veranlasste noch sauerer zu werden – und so seltsam faserig. Deinen Glanz hattest du verloren und als du mir die Küche mit deinem labberigen Fleisch eingematscht hast war mir klar: Das mit uns beiden wird nichts. Bis ich dich im Urlaub wieder traf. Auf einem Teller mit Garnelen und Mango hast du gelegen. Nackt. Cremig zart wie ein Pudding von Omas Herd, aber mit deinem ganz eigenen, grasig-grünen Geschmack. Ich lernte, dich für ein paar Tage mit den Hausäpfeln in Ruhe zu lassen, dir täglich ein wenig Aufmerksamkeit durch sanftes drücken und schnüffeln entgegenzubringen und bettete dich erst noch eine Weile auf Eis, wenn du bereit warst, ich aber noch meine Zeit brauchte.
Deine grasige Note lässt sich mit einigen Blättern Spinat wunderbar unterstreichen. Als grünen Smoothie mögen wir dich gerne damit und geben noch Orangen- und Limettensaft, Joghurt und Milch dazu. Soll´s etwas herzhafter sein und die Junkfood-Amnesie1 schlägt wieder zu, klöppeln wir eine Guacamole aus dir und vernaschen dich mit den billigsten und geschmacksverstärktesten Nachos, die wir kriegen können. So hast du auch auf dem heutigen Burger eine gute Figur gemacht und den würzigen Part übernommen.
Außerdem mit dabei waren ein paar Scheiben einer noch nicht ganz reifen Ochenherztomate, die sagenhaften Brioche Buns, Hähnchenbrüste, langsam gebraten, längs aufgeschnitten und mit Comtè gefüllt, junger Spinat und Nachos. Eine recht gesunde Burger-Variante, jedoch zum Abnehmen tedenziell ungeeignet, denn im Grunde bist du Butter, die vom Baum hängt.
Lieben Gruß,
Dein Alex
- (Junkfood-Amnesie: Ernährungsbewusste Menschen, die mit Vorliebe auf Wochenmärkte und in Hofläden einkaufen, sich sehr um die Herkunft ihrer Lebensmittel bemühen und gelegentlich bei der billigsten Tüte Supermarkt-Nachos nachgiebig werden, leiden unter dieser jungen, heimtückischen, schwer zu diagnostizierenden Essstörung. ↩