Die Zusammenfassung zuerst: Alles wird gut! Unsere Freundin Jutta betreibt in Gärtringen mit viel Liebe, Ehrgeiz und Hingabe unseren Edeka. Eine Frau wie ein Elektro-Smart – klein und energiegeladen, geht ab wie ne Große und strahlt sehr mitreißend mit den Augen – am Stärksten wenn sie von Essen spricht. Yummy ist (glaube ich) ihr Lieblingswort. Vor einem Jahr durfte ich beim Spanischen Abend das Showcooking übernehmen und gut 200 Gäste mit Hähnchenleber in Portwein beglücken. Das war mutig von uns, hat sich aber gelohnt. Ich habe viele interessante Gespräche geführt und die Leber wurde in voller kulinarischer Bandbreite bewertet: Von Arme-Leute-Essen bis zu absoluter Delikatesse. Als Jutta dann vom Buch Foodblogs erfuhr, wollte sie es so gerne in ihrem Laden verkaufen, dass ich garnicht anders konnte, als mich für die nächste Runde Showcooking vorzuschlagen, was ihre Augen wieder fernlichtmäßig zum Strahlen brachte.
Letzten Samstag um Elf stand ich also zwischen Salat und Zitrusfrüchten an der nagelneuen Showcookingstation, die noch per Kindersicherung verriegelt war, was aber eine Weinle nicht aus der Ruhe bringt. Schwups schmurgelten die ersten Lammbratwürste in der Pfanne und verströmten den Duft von orientalischen Gewürzen im ganzen Laden. Mein erster Fan war Acht oder Neun und von seiner Mutter nicht zum Weitergehen zu überreden. „Die Würste brauchen noch ein bisschen“, erklärte ich ihm, er könne ruhig noch mit zur Fleischtheke gehen, wo Mutter Weinle in der Regel die Kundschaft unterhält und Wurschträdle an die Kinder verteilt. „Nein, nein, ich kann warten“, meinte der Kurze und blickte in die Pfanne, als gäbe es auf der Welt nichts spannenderes als einer Wurst beim Garen zuzuschauen. „Die werden aber gut“, erklärte der werdende Fachmann: „Das kann man schon riechen“. Auf die Frage, ob er denn mal Koch werden wolle, setzt er ein verschmitztes Kleinjungengrinsen auf: „Hobbykoch!“. Schlauer Junge. Der Vater seines Freundes sei Koch und ein Kochbuch habe er sich auch schon angeschaut, von einem aus dem Fernsehn, irgendwas mit „J“ 😉 Zusammen probieren wir die erste Wurst, schmecken die Süße der Datteln (er zeigt auf die Stelle im Laden: „Ah, die wo da drüben liegen“) und ich überlege kurz ob wir zusammen durchbrennen sollen und sowas machen wie Will Smith in „Das Streben nach Glück“ – nur halt mit Kochen…
Eigentlich kann´s nicht mehr besser kommen und ich lerne bald, dass Menschen lieber probieren, wenn sie noch nicht zu Mittag gegessen haben (was für eine Überraschung…). Viele Kunden möchten die Würste gerne kaufen, sind ein bisschen enttäuscht, dass sie „nur“ das Buch mit dem Rezept dazu haben können, interessieren sich dann aber sehr für Foodblogs, wollen wissen wo man den Darm her bekäme, wie lange der sich so hält… Ein Dame läuft hastig an mir vorbei, es dauert etwas bis der Duft sie gebremst hat. „Ich nehme gerne eine Wurst mit, für mich, heute Abend.“ Kochbücher braucht sie keine mehr: „Bin jetzt alleine. Was soll ich für mich denn noch groß kochen…“ – das trifft mich wie ein Schlag und ich kriege einen kurzen Eindruck davon wie Scheiße Tod und Einsamkeit sein müssen.
Der hauseigene Metzgermeister, der das Lamm für mich besorgte (Württemberger Lamm, Merino, vom Schäfer aus Hildrizhausen, nur falls jemand denkt, man könnte Edekaner mit Fragen nach Herkunft, Aufzucht oder Reifung aus der Ruhe bringen) war natürlich besonders gespannt auf meine Qualitäten. Begeistert war er, der Lamm-Fan, hat alles rausgeschmeckt (Thymian lassen wir gelten – drin war Bohnenkraut) und kam zwischendurch nochmal persönlich vorbei um Nachschub zu ordnen. „Nicht so ein Stückchen, geb mir ne Ganze!“. Könnte der Beginn einer guten Freundschaft werden 😉 Insgesamt gab es eine gute Mischung zwischen interessiertem und fachkundigen Publikum. Ein Nürnberger war ganz begeistert, dass die Wurst roh gebraten wurde: „Diese abgekochten Dinger hab ich erst hier in der Gegend kennengelernt“ und mit einem anderen Hobbymetzger habe ich ausführlich erörtert, wie man noch mehr Rauchgeschmack und überhaupt „Italien“ an die Salsiccia bekommt.
Ein Mädchen, ein bisschen jünger als mein Kumpel vom Anfang möchte gerne probieren, pustet die Wurst ausgiebig auf Verzehrtemperatur runter, verdreht beim Probieren die Augen und hüpft „Hmmm. Hmmm. Hmmm.“ wieder von dannen. So zwei Meter weit. Dann kommt sie ganz cool wieder zurück und möchte nochmal. „Mama die muuuuuusst du probieren. Die ist sooooo lecker.“ Die Mutter verzichtet lieber, Madame lässt aber nicht locker. Einen Kaugummi habe sie noch drin: „JA MAMA, ICH AUCH, ABER ICH HABE IHN AUS-GE-SPUCKT“. Die Mutter probiert nicht, sagt nicht mal Hallo oder was nNettes über ihre Tochter, die sich, und das wünsche ich mir von Weihnachtsmann, ihren guten Geschmack behält und auch in Zukunft nicht locker lässt, wenn´s Zuhause ums Essen geht.
Ich wünsche mir, dass dieses 2-Meter-hüpfende Kind dich auch in 15 Jahren noch im Netz findet und schreibt:
Du Alex, DU hast mir damals gezeigt, wie toll Genuss ist, wenn man sich ihm öffnet und den Kaugummi ausspuckt!
…oder es kommt händchenhaltend mit meinem kleinen Kumpel zum (über-)nächsten Wurst-Tasting 😉
Ach Alex, das war wieder schön zu lesen. Und ich hab ein bisschen ein schlechtes Gewissen bekommen, weil mich die übergroßen Teststände im übervollen Supermarkt in der überhektischen Vorweihnachtszeit immer eher nerven .. und ich nienienie probiere. Gar nix. Ab sofort mach ich’s vielleicht doch mal. Aber nur, wenn es nicht morgens um 10h ein Whisky-Tasting ist.
Geht mir doch genauso…
Ach Alex, mal wieder wunderschön geschrieben. Lass uns doch sowas machen wie in Brokeback Mountain, nur mit kochen und ohne knutschen… *g*
Wie, ohne knutschen?
I don’t kiss on the first date.
Oh, wie klasse! Bei Euch gibt es aber tolle Kinder. Ich finde ja nichts attraktiver als Menschen mit einem ordentlichen Appetit. Und auch bei Kindern ist das ausnehmend sympathisch.
@Uwe&Alex: Ihr beiden Süßen, ich hoffe inständig, dass dieser Film nie auf DVD rauskommt.
Definitiv sympathisch – ich dachte ja immer, man müsse Kinder motivieren, sich mit dem Essen auseinander zu setzen. Jetzt glaube ich die natürliche Neugier reicht aus – wenn man sie zulässt.
Was den Film angeht… Wir beschränken uns auf Tier-Dokus.
Sooo schön, schon fast eine Weihnachtsgeschichte 🙂
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Zuerst hatte ich überlegt sowas wie die Geschichte der vergangenen un zukünftigen Weihnacht draus zu machen 😉
Echt eine sehr schöne Geschichte!!!
🙂
Ich fühl mich dann mal als Nürnberger erwähnt 😉
Die Wurst war echt der Hammer. Ich fands auch schade, dass ich nicht gleich noch welche mitnehmen konnte.
Ich werd über Weihnachten mal den Blog durchpflügen; das was ich bisher gelesen habe ist einfach super unterhaltend und interessant.
Mal sehen ob ich mich ans Wurstmachen rantraue.
Cool, ich freu mich dich hier wiederzusehen!
Schade, dass wir nicht auf die naheliegenste Idee gekommen sind, gleich auch ein paar Würste zu verkaufen, aber ich weiß, wo´s unter der Hand noch welche gibt 😉
Viel Spaß beim Stöbern – beim Wursten kann ich gerne noch Hilfestellung geben.
(fast) eine richtig schöne weihnachtsgeschichte und bei dem nachwuchs glaubt man wieder, dass alles nur gut werden kann 🙂 komm doch mal in unseren edeka…..
Sehr coole Nummer, Alexander. Hut ab!
Was für ein schöner Bericht, als würde man mal kurz neben dir am Grill stehen 🙂
Blog finde ich sehr ansprechend, schön und mit Herz geschrieben. Chel Hansen ist eine Reise wert.
Gruß und weiterhin viel Spaß