Trauzeuge zu sein hat den unschlagbaren Vorteil, wirklich bei jedem Essen, das während der Hochzeitsfeierlichkeiten serviert wird, teilnehmen zu dürfen. Meistens gibt´s die echten Highlights im kleinen Kreis im Lieblingslokal der Familie. Annik und Loic haben da keine Ausnahme gemacht und uns in die äußerst charmant geführte Krone nach Beutelsbach eingeladen. Schwäbische Küche mit französische Akzent. Neben einem echt leckeren Zander in Krebssauce und Krabben hab ich dort den sensationellsten Fenchel meines Lebens gegessen. Ich hab nicht gefragt, wie sie den gemacht haben, aber vermute mal, der ist durch die Pfanne der Zwiebelrostbraten geschwenkt worden und hat unanständig viel Butter gesehen. Krieg ich den auch hin? Oder besser!?
Im kreativen Prozess geht es darum, ein „stabiles“ Ergebnis aus der Kombination von Ordnung und Chaos zu finden. Ich find das sehr spannend – warum treffen wir bestimmte Entscheidungen, wie funktioniert „aus dem Bauch heraus“. Ein tolles Werkzeug zur Unterstützung der Ideenfindung in der Küche ist der Flavour Thesaurus, der schon lange auf meinem Wunschzettel stand und in den Warenkorb wanderte, nachdem Simone von dem Buch schwärmte. 99 Geschmacksrichtungen werden darin vielseitig kombiniert und eine Auswahl von Rezepten präsentiert.
Den kompletten Sonntag nach der Hochzeit habe ich liegend, lesend, den dicken Bauch in die Sonne streckend auf der Dachterasse verbacht. Die Geschichte von Heston Blumenthal und The Fat Duck haben mich gefangen und bei den ganzen ca. 100 Seiten Rückblick blieb vor allem eine Erkenntnis hängen: Vanille schmeckt eigentlich garnicht süß. Vielleicht schmeckt sie ja ganz gut mit Fenchel?
Der Flavour Thesaurus geht an der Stelle nicht unbedingt ins Detail, aber man findet den Hinweis auf italienische und spanische Anis-Schnäppse, die mit einer ordentlichen Portion Vanille aromatisiert werden. Dazu noch was fruchtiges – nach Anis & Pear (Birne, nicht mit Peach zu verwechseln…) gesucht (dünne Scheiben Fenchel und Birne scheinen zu passen) – und schon stand das „Rezept“:
Zwei Fenchelknollen halbieren, den Strunk rausschneiden und in dünne Spalten schneiden. Das gleiche mit zwei Birnen machen (da heißt es Kernhaus, nicht Strunk…). Eine großzügige Portion Butter in eine große Pfanne geben, Mark einer Vanilleschote und 1EL Orangenblüten dazu. Den Fenchel darin anbraten, mit Salz und Chilipulver abschmecken und den Birnenspalten kunstvoll anrichten, mit Fenchelgrün garnieren.
Und dann war da noch ein Luft-Trauma zu überkommen. Im Weihnachtsmenü wollte ich eine Lyonerluft zum Kartoffelsalat machen. Und neulich mal ne Zwetschgenluft. War alles nicht sonderlich stabil. Zum Fenchel hab ich mal ne Vanilleluft probiert, jedenfalls hab ich sie so genannt. Dazu die überschüssige, aromatisierte Butter aus der Pfanne zu 150ml Gemüsebrühe in ein hohes Gefäß geben. Darein kommen dann drei Grämmchen Lecithin und der Pürierstab auf mittlerer Geschwindigkeit. Ich hab festgestellt, dass es am stabilsten schäumt, wenn dabei ein bestimmtes Geräusch zu hören ist. Dazu begibt man sich am Besten auf die Autobahn, bzw. Schnellstraße und lockert auf dem Weg dahin die Backen. Bei Tempo 120 hält man dann den Kopf aus dem Fenster und das müsste dann ungefähr so klingen wie der Pürierstab beim Schäumen. Flubberflubberflubber…
Abgabetermine fördern außerdem die Kreativität – diesen Monat hab ich´s ausnahmsweise mal pünktlich geschafft und es ist kein Nachtrag für´s Garten-Koch-Event August: Fenchel nötig 🙂
Ich habe irgendwo die „Flavour Bible“ rumstehen, da werden auch viele Kombinationen vorgestellt, die man nicht alleine finden würde.
Und? Wie ist das Urteil? Genausogut oder besser?
Liebe Grüße, Sus
Das kann ich leider nicht sagen, aber wenn mir die Flavour Bible über den Weg läuft, werf ich einen Blick rein und berichte 🙂 Ich vermute aber, dass die sich nichts schenken. Das Buch vermittelt ne gute Idee davon, was bei einer Kombination rauskommen könnte – z.B. Brunnenkresse mit Ei: There´s no finer contrast for a sandwich to eat with your little finger in the air. Kann man sich doch gleich was drunter vorstellen 😉
Sorry, war mißverständlich von meiner Seite aus. Ich meinte, ob Deine Version des Fenchels genausogut oder besser war als das Original.
Liebe Grüße, Sus
Achso 🙂 Nein… Leider bei weitem nicht, aber man kann das auch nicht so direkt vergleichen. Im Restaurant war das eine sehr würzige, gehaltvoll Beilage – das hier ist mehr ein rafinierter, fruchtiger Vorspeisensalat. Oder so…
Aber freut mich, dass du es mir zutrauen würdest 😉