Eher ungewöhnlich, dass bei mir mal ein gänzlich fleischloses Gericht auf dem Teller landet und dann auch noch völlig ohne tierische Produkte – wobei, Mist, zwei Eier im Nudelteig, also gut, bleiben wir bei Fleischlos. Aber eigentlich war das nur ein Zufall und ist mir auch erst beim Essen wirklich aufgefallen, was da passiert ist. Rote Beete Carpaccio, Zitronenspaghetti mit Bärlauchpesto und grüner Spargel. Man könnte das auch wieder als Resteessen betitteln, aber so funktioniert meine Küche neuerdings – sie emanzipiert sich von Rezepten, Kochbüchern und Foodmagazinen und lässt der Kreativität freien Lauf. Und die funktioniert nunmal am Besten unter Einschränkungen wie Zeit- oder Resourcenmangel.
Dass mir beim Thema Vegetarismus keiner abgeht, liegt in erster Linie mal an dem idealistischen Beigeschmack, den diese Mode-Erscheinung begleitet. Es steht völlig außer Frage, dass sich auch nur mit Zutaten die freiwillig vom Baum gefallen sind, leckere Gerichte zubereiten lassen und jedem, der dies aus Gründen des guten Geschmacks tut, gönne ich diesen von Herzen. Aber sobald es um den Protest gegen die Massentierhaltung und Industrialisierung geht ist Schluss mit dem Verständnis. Oder wer kann mir nachvollziehbar erläutern, warum der Boykott von Produkten der Massentierhaltung besser ist, als die Unterstützung ökologischer Tierhaltung? Mit ökologischer Tierhaltung meine ich natürlich kein abgepacktes Fleisch aus einem beliebigen EU-Land, dass ein sechseckiges Siegel trägt, sondern viel mehr solches, das ich vom Erzeuger selbst begeistert angeboten bekomme – nur mal so als Beispiel. Natürlich gibt es auch begeisternde Metzger, die das übernehmen usw…
Ich ziehe jedenfalls jedes Stück Fleisch, dass ich in letzter Zeit bekommen habe, Tomaten aus Holland und Tofu was-weiß-ich-woher vor. Bei Arthurs Tochter haben wir neulich gelernt, dass im Fleisch Emotionen gespeichert sind – ein Grund mehr sich von glücklichen Tieren zu ernähren. Und noch viel besser – dort haben wir auch gelernt, dass vegetarische Küche keine einfallslose Beilagen-Küche sein muss, sondern aus dem, was die Natur uns schenkt, originelle Gerichte zubereitet werden können.
Beim Eismachen hatte ich ja grade erst gelernt, dass der Fehler meist bei einem selbst zu suchen ist. Und für Rote Beete hatte ich nicht mehr übrig, als sie geschmacklich mit Blumenerde gleichzusetzen. Keine Frage, komplexe, tiefgründige, feine Blumenerde mit sowas wie Terroir – kleiner Scherz – aber eben Blumenerde – trotzdem haben die kleinen roten Knollen eine zweite Chance verdient. Dieses Mal habe ich sie geputzt wie der Teufel – mit einer alten Zahnbürste hab ich ihnen die Blumenerde aus der Schale geschrubbt, wie meine Mutter mir früher die Grasflecken von den Knien. Zubereitet wurden sie wieder im Ofen, aber halbiert und zusammen mit Zitronenspalten, Kräutern, Olivenöl und Salz in ein dichtes Paket aus Alufolie verpackt und eine Stunde bei 180 Grad sich selbst überlassen. Tja, und ich muss sagen, geschält, dünn aufgeschnitten und mit Piment d’Espelette und Olivenöl, in das noch ein wenig Bärlauchpesto gemischt war, beträufelt war das durchaus ein Geschmackserlebnis – mit einem Hauch von Blumenerde 😉
Anteil daran hatte auch das Bärlauchpesto, für das ich einen halben Bund Bärlauch, eine handvoll Parmesan, Pfeffer, Salz und gesalzene, geröstete Pistazien mit Olivenöl auf die gewünschte Konsistenz püriert habe. Zitronenspaghetti kriegen ihr Zitronenaroma eigentlich erst in dem sie nach dem Kochen mit Zitronensaft aromatisiert werden. Ich hab hier mal vesucht, das Zitronenaroma direkt in die Nudel reinzukriegen und hab dem Teig die Schale der Zitrone beigefügt, die in Spalten bei der Roten Beete im Ofen schmorte. Das Resultat war ein bestenfalls als subtil zu bezeichnendes Zitronenaroma, aber Versuch macht klug 😉 Grüner Spargel war noch vom Spargelrisotto übrig – Waschen, Füße ab, Olivenöl und Salz dran – Feddisch.
Gerade die Unterstützung ökologischer Tierhaltung macht es nötig, ab und zu fleischlos zu essen, ohne verzichten zu müssen.
Darum geht´s – wenn fleischloses Essen als Verzicht betrachtet wird, dann ist das gleich wieder negativ belegt und macht keinen Spaß mehr – deshalb möchte ich den Genuss in den Vordergrund stellen. Mit „Unterstützung ökologischer Tierhaltung“ meine ich z.B. auch, zu zeigen, dass ein Tier nicht nur aus Filet besteht.
@Alex, mir scheint du hast ein kleines Blumenerdentrauma. Als Kind zuviel in der Erde gebuddelt? 😉 Deinen letzten Satz im obigen Kommentar kann ich nur doppelt unterstreichen. Es gibt ganz viel Leute, die nur das Filet wollen. Mir solls recht sein, da habe ich mehr vom ebenfalls durchaus köstlichen Rest.
Ach, so ein bisschen Blumenerde ist schon ganz ok – beim ersten Mal haben die ja nur danach geschmeckt, dieses Mal fand ich das ganz lecker.
uups, Gegendarstellung: 😉
Bitte glaube keiner, dass ich der Meinung bin, im Fleisch würden Emotionen gespeichert, die dann an den Esser weitergegeben werden! Dem ist nicht so und ich habe im Blog lediglich diese komischen Amerikaner vom seltsamen Zentrum erwähnt. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass das Fleisch einer gequälten Kreatur nicht schmecken kann, das habe ich schon oft postuliert.
Auch bin ich Anhängerin der These „Erhalten durch Aufessen“ und trotzdem glaube ich, dass es – rein ökologisch betrachtet – dem Planeten besser gehen würde, wenn wir alle gar kein Fleisch essen würden. Und so leiste ich meinen Beitrag – genau wie Du und da bin ich ganz bei Dir – konsequente Auswahl von „guten“ Betrieben und „weniger ist mehr“!
Die Emanzipation von Kochbüchern kann ich im übrigen auch nur unterstützen, das verfolge ich schon seit Jahren und erst seitdem ist meine Küche mutiger und ausgefallener geworden.
An rote Bete bekommst Du mich trotzdem nicht! 😉
Ich esse ja sehr gern vegetarisch, nicht aus Protest gegen die Massentierhaltung, sondern einfach, weil ich nicht jeden Tag Appetit auf Fleisch oder Fisch habe. Zweimal die Woche reicht mir völlig. Aber wie Du schon sagst find ich das, was viele Leute anscheinend für vegetarische Küche halten – zwei Beilagen + evtl. gebratenen Tofu – total langweilig. Gute vegetarische Küche muss so aussehen, dass das Gericht nicht wirkt, als ob man das Fleisch weggelassen hätte, sondern es ein eigenständiges Gericht darstellt, bei dem keiner auf die Idee kommt, dass irgendwas fehlen würde. So wie dein heutiges Rezept – und übrigens LIEBE ich den Blumenerde-Geschmack der Roten Bete ;o)
sieht sehr gut aus 🙂 ich würde mich freuen, wenn du öfter vegetarische gerichte posten würdest.
@AT Ich bin mir nicht sicher, ob es uns weiter bringen würde, ganz auf Fleisch zu verzichten. In der Neon war mal ein sehr ausführlicher Artikel darüber, unter welchen Bedingungen in Spanien Gastarbeiter aus Nordafrika Erdbeeren und Tomaten ernten. Aber letztendlich hat es tatsächlich jeder selbst in der Hand, leider ist aber der Preis zum Kaufkriterium überhaupt geworden. (Mein Bioland Erzeuger bietet übrigens sein Fleisch günstiger an, als der Metzger bei dem ich früher gekauft habe…) Mir persönlich geht die Entfremdung beim Lebensmittelkauf noch viel mehr gegen die Überzeigung, also die komplette Entkopplung von Erzeuger und Verbaucher – aber auch da hat man wieder die Wahl, muss sich aber mit seinem Essen auseinandersetzen.
@Kirsten Freut mich, wenn´s gefällt 🙂 Essen soll in meiner WeltFreude machen und mir fällt es schwer zu glauben, wie jemand, der seine Ernährungsweise aus Protest wählt, viel Freude am Essen haben kann. Dass man Freude an originellen Rezepten aus Obst und Gemüse haben kann fällt mir hingegen überhaupt nicht schwer. Und das mit der Blumenerde – in kleinen Dosen durchaus in Ordnung 😉
@Sekundentakt Danke 🙂 Ich geb mir Mühe – Gestern gab´s Grünen Spargel mit Zitronenthymian, Rhabarber mit Orangensalbei und Zitronenmelisse und obendrauf ein Erdbeer-Espuma. Orangen-Fenchel mit Münster überbacken hab ich neulich gegrillt und ich hoffe das reicht erstmal – übertreiben werd ich das mit dem Vegetarischen hier nämlich nicht 😉
Haha – Blumenerde in kleinen Dosen… Okay – den hab ich jetzt schon gemacht, muss dann sonst keiner mehr nachholen 😉